Nach oben ] Körpersymbolik ] [ Lesetip-Archiv ] Lesetip: Thabet-Eisenbarth: Echt verhext ]

 

frühere Lesetips:

September 98

Gilbert Keith Chesterton

Zu einer kleinen Kostprobe

Die besten Pater-Brown-Geschichten - Ausgewählt und übersetzt von Stefanie Kuhn-Werner, Stuttgart 1993, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 8887, DM 14,00
Nicht nur die Filme mit Heinz Rühmann sind reizvoll, auch das literarische Vorbild. Dabei ist im Vorwort auch zu erfahren, daß dieser lebensweise Father Brown - wenn auch unter anderem Namen - tatsächlich existierte hat. Nebenbei ist in diesen Geschichten eine sehr kluge und weltoffenen Theologie und Seelsorgepraxis dargestellt, die heutigen modernen Maßstäben genügt und zugleich "fromm" und glaubwürdig ist.

 

Oktober 98

James Jennings

Zu einer kleinen Kostprobe

George - Autobiographie eines Engels 1996, Schneekluth, ISBN 3-7951-1417-9, DM 24,00

In diesem kleinen Buch findet sich viel Weisheit und Kraft, um die Zeit mit einem frühgeborenen Kind zu bestehen. Mir scheint, es kann auch helfen, die Kleinen zu verstehen - sind sie doch so dargestellt, wie ich sie in meiner Arbeit kenne: zwar schwach und klein und gebrechlich, aber voller Kraft und Zähigkeit, um das zu erreichen, was sie sich vorgenommen haben - ob uns das paßt oder nicht. Und ebenso sind sie voll Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung. Das hindert sie aber nicht daran, für die Erwachsenen, die sich auf sie und ihr Leben einlassen, zu Lehrern für ein tieferes Leben, Lieben und Empfinden zu werden.

Die Geschichte stammt von einem Vater eines Frühgeborenen in den USA, der um die Klinikrechnungen seines Kindes zu zahlen, zum mehrfachen Scheckfälscher wurde und nach Verbüßung seiner Haft nun als Angestellter der Staatsanwaltschaft in Dallas arbeitet (echt Amerika!).

 

November 98

Adolf Muschg

Zu einer kleinen Kostprobe

Der rote Ritter. Eine Geschichte von Parzivâl, Frankfurt/M 1993, Suhrkamp-Verlag ISBN 3-518-40513-6

In diese schon etwas ältere Nach- und Neuerzählung der Parzivalgeschichte schaue ich immer wieder gerne hinein. Sie ist eine Fundgrube von humorvoll-genauen Beschreibungen und Beobachtungen.

Das Buch hält immer neue Einsichten bereit zu der Frage, wie ein Mensch zu einem mitfühlenden Menschen werden kann im Spannungsfeld von spirituell-theologischen Ideen, persönlicher Psychodynamik der Entwicklung und dem Kampf um Macht. Auch die Frage des rechten Umgangs mit der eigenen Leiblichkeit kommt nicht zu kurz (im Hintergrund steht die Feldenkrais-Methode). Und immer wieder kommt es zu beziehungsreichen Wechselspielen zwischen der mittelalterlichen Situation und der Gegenwart (so wird ein alleswissendes Wunderding zu einem Laptop und umgekehrt).

 

Dezember 98

Michel Clevenot

Zu einer kleinen Kostprobe

Reform, Restauration, Renaissance? Geschichte des Christentums im XIX. Jahrhundert - Luzern 1997, Edition Exodus,  ISBN 3-905577-23-2

Inzwischen gibt es schon 11 Bände dieser Kirchengeschichte "von unten" und der zwölfte und letzte Band erscheint auch bald. Hier wird die Geschichte des Christentums mit Interesse für den Alltag, gerade auch für die kleinen Leute und immer im Kontext von Kultur und Gesellschaft beschrieben. Aber ein Blick auf die anderen Religionen, besonders das Judentum und den Islam, wird auch immer wieder gewagt.

Der Band über das 19. Jahrhundert informiert über einige verborgene Wurzeln unseres so modernen 20. Jahrhunderts. Einige unserer Probleme, scheinbar postmodern-nachchristentümlich, sind gar nicht so einzigartig und neu. Schon damals gab es eine Tradierungskrise des Glaubens und die Diagnose von damals klingt auch heute noch aktuell.

 

Januar 99

Gottfried Bachl

Zu einer kleinen Kostprobe

Der beneidete Engel. Theologische Prosa - Freiburg 1987, Herder,  ISBN 3-451-20921-7

In diesem kleinen Büchlein findet sich zum Beispiel ein Briefwechsel zwischen Jesus und einem Tischler aus Kapharnaum, der sich beschwert über die Verfluchung von Kapharnaum, Betsaida und Chorazin. Auch ein Gespäch zwischen einem Bischof, der unter einem Baum seinen Semmel ißt und seinem Schutzengel und vieles wird berichtet. Dabei geht es auch um einen Gott, der nicht immer schon von uns als Heilslieferant vereinnahmt wird, sondern er selbst bleiben kann. Die Charakterisierung des Autors, die mein Fribourger Dogmatik-Lehrer Johannes B. Brantschen abgibt, ist sehr treffend für diese Texte:

"Gottfried Bachl spricht eine leise, aber deutliche Sprache. Wer sich auf die ungewöhnlichen Meditationen dieses völlig uneitlen Salzburger Dogmatikers einläßt, der macht die beglückende Erfahrung, daß man von religiöser Wirklichkeit auch ganz anders reden kann: spannend, farbig, humorvoll, konkret. Diese Texte sind aber auch ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit und Diskretion Gottes und für die Würde des Menschen." Etwas davon zeigt auch der Lesetip...

Februar 99

Giorgio Manganelli

Zu einer kleinen Kostprobe

Manganelli furioso. Ein Handbuch für unnütze Leidenschaften - Berlin 1985, Wagenbach,  ISBN 3-8031-3525-7, DM 24,80

Auch wenn dieses Buch schon etwas älter ist - aber immer noch im Handel(!), gehört es doch zu meinen immer wieder zitierten Lebensmeistern. Es ist ein wahres Feuerwerk an Einfällen und Ideen - manchmal abstrus, wenn es plötzlich beim Kaffeetrinken einen mit der Frage überfällt "Was ist mit den Dinosauriern los?", manchmal auch kritisch, wie in dem "Offenen Brief des Königs Herodes zum Jahr des Kindes".

Auf jeden Fall ist diese Sammlung von Gelegenheitsschriften von einem der bekannteren Schriftstellern Italiens immer wieder unterhaltsam und anregend, meditiert über die Ekstase der heiligen Theresia ebenso wie über Münchhausen, "den Baron, den es nicht gibt".

Für alle immer wieder zu beachten sind Manganellis Hinweise zum Essen, das eine der Lieblingsbeschäftigungen des Autors zu sein scheint. Sein Lob des Essens enthält von jedem zu beachtende Hinweise darauf, was alles bei der rechten Auswahl von Tischgenossen zu beachten ist, damit nicht nur das Essen, sondern auch die Gesellschaft dabei einem wohl bekommt.

März 99

Alwin J. Hammers

Zu einer kleinen Kostprobe

Christlicher Glaube... und praktizierter Unglaube. Erfahrungen und Anmerkungen eines Psychotherapeuten - Trier 1997, Verlage Michael Weyand, ISBN 3-924 631-62-Xy, DM 24,80

Dies ist ein schillerndes Buch, prall voll mit Erfahrungen des Trierer Pastoralpsychologen Hammers, der eine Professur am dortigen Priesterseminar innehat und aus seiner Arbeit mit Priesteramtskandidaten und anderen helfenden Berufen berichtet.

Hammers berichtet in seinem Buch darüber, wie theologische Wahrheiten tatsächlich - oft entstellt - von Kirchenmitgliedern geglaubt werden und welche  psychotherapeutischen Probleme sich daraus ergeben. Schillernd ist dieses Buch, weil die tatsächlichen Glaubensformen so schillernd sind mit Licht- und Schattenseiten.

Schillernd ist dieses Buch auch, weil der Autor selbst nicht ganz sauber seinen Schwerpunkt auf dem Glauben, wie er tatsächlich geglaubt wird beibehält, sondern öfter auch theologische Positionen bekämpft und verurteilt, die es so gar nicht mehr gibt. Hier hätte das Gespräch des Pastoralpsychologen mit seinen Kollegen vom Systematisch-theologischen Fach aufklärend wirken können. Mir scheint, entweder hat Hammers dieses Gespräch nicht gesucht, oder aber seine Trierer Kollegen vertreten nicht den aktuellen Stand an exegetischer und dogmatischer Diskussion. (z.B. Paulus eine präsentische Eschatologie abzusprechen trotz 2. Kor zeugt von mangelnder Information).

Doch die rechte und unmißverständliche Darlegung der christlichen Tradition ist Aufgabe der Systematischen Theologen. Für diese könnte Hammers Buch so etwas wie eine Standardkontrolle sein, die das Bewußtsein für praktischen Unglauben trotz richtiger Formeln schärfen kann.

Ein Gewinn ist es, daß und wie der Hammers persönlich Rechenschaft ablegt und so sein Anliegen glaubwürdig vertritt.

Mai 99

Jacobus de Voragine

Zu einer kleinen Kostprobe

Legenda aurea aus dem Lateinischen übersetzt von R. Benz. Heidelberg (Verlag Lambert Schneider) 1984,   ISBN 3-7953-0603-9

Wer sich für unbekümmert-kraftvolle Frömmigkeit des Mittelalters interessiert, kommt hier gerade richtig. Dieses Buch ist eine geniale Zusammenstellung der im  Mittelalter bekannten Heiligengeschichten. Der Autor, Erzbischof von Genua, hat 1263 bis 1273 diese Legenden in einer wahren Fleißarbeit gesammelt und vor allem in eine Ordnung gebracht, die sich am neu erstellten liturgischen Kalender der Heiligengedenktage orientiert.

So ist zugleich ein Führer durch die liturgischen Jahreszeiten und Gedenktage entstanden, der selbst wieder stark auf den Volksglauben zurückgewirkt hat. So wurde die Legenda aurea (die "goldene Legende") zum populärsten und meistverbreiteten religiösen Volksbuch des Mittelalters. Zahllose Heiligendarstellungen der mittelalterlichen Kunst haben in diesem Buch ihre Darstellungsinhalte gefunden, hier finden sich viele "Zutaten", die einen Heiligen dann im Bild umgeben und typisch für ihn wurden.

Interessant ist dabei, daß in diesem als ach so finster verschrienen Mittelalter sich der Autor schon bemüht, die ihm überlieferten Legenden treu wiederzugeben, zugleich aber sich nicht scheut, auch deutliche Anmerkungen Geschichten zu machen, die ihm selbst unglaubwürdig erscheinen. Vernunftgebrauch und gleichzeitig vertrauensvoller und handfest-fast respektloser Umgang mit Heiligen im Alltag zeigen sich auch in einer kleinen Kostprobe aus den Marienlegenden:

Juli 99

Edith Thabet - Pia Eisenbarth

Zu einer kleinen Kostprobe

Echt verhext! Eine Geschichte von Edith Thabet - Mit Bildern von Pia Eisenbarth Berlin (Wolfgang Mann Verlag) 1998,   ISBN 3-926740-79-5

Ein Bilderbuch, das unsere Kinder gerne lesen ist diesmal Tip des Monats. Es handelt von einem Mädchen, das nach einem Umzug von den Kinder in der neuen Nachbarschaft verspottet wird wegen seiner rote Haare. Aber dann kommen Hexenkünste ins Spiel und am Ende spielen alle miteinander - inclusive Kater Rubio. Die Bilder sind so reizvoll, daß sie diesmal die Leseprobe abgeben:

April 2000

Ignatius von Loyola

Zu einer kleinen Kostprobe

Briefe und Unterweisungen Deutsche Werkausgabe, Band I - Übersetzt von Peter Knauer. Würzburg (echter Verlag) 1993,   ISBN 3-429-01530-8

Ignatius von Loyola, der Mitbegründer und erster Obere des Jesuitenordens, ist schon mit vielen Vorurteilen belegt worden. Und auch Jesuiten sind im Volksmund für ihren Kadavergehorsam berüchtigt. Welche Nüchternheit und Freiheit eigentlich in den Regeln des Ignatius und seines Ordens steckt, lässt sich neu entdecken mit dieser Ausgabe seiner Briefe und Unterweisungen: Wenn er etwa davor warnt, sich durch fromme Gedanken vom Schlaf abhalten zu lassen. Er befürchtet, dass alle noch so guten Gedanken, die den Leib aber von der Erholung abhalten, vom Teufel gesandt sind (29f). Und er betont dagegen: "Gott will, dass ihr ihm mit Freude dient, indem ihr dem Leib das gebt, was er braucht!"

Ein anderes Beispiel für nüchterne Regeln und einen Gehorsams, der in aller Demut dennoch hartnäckig an eigenen besseren Einsichten festhält, findet sich in seinen Regeln "über den Umgang mit Oberen", woraus auch die Leseprobe stammt:

Mai 2000

Johanna Spyri

Zu einer kleinen Kostprobe

Heidi. Erster und zweiter Teil Verlag A. Weichert, Berlin, vollständige Ausgabe von 1942

Was so nicht im Fernsehen kommt.....

das entdeckt man, wenn man mal das Original erbt und Kindern vorliest. Da findet sich ein eigentümlicher Sprachstil, wenn immer von "dem Heidi" gesprochen wird (wie wenn man von "dem Kind" spricht).

Aber es finden sich auch Überraschungen theologischer Art. Eine narrative Abhandlung zur Frage des Bittgebetes und seiner Erhörung oder Nicht-Erhörung. Wenn Heidi in Frankfurt ist und vor Heimweh nach den Bergen krank wird. Aber dieses Elend niemand sagen kann. Das taucht dann eine Großmama auf, die diskret genug ist und nicht in das Kind Heidi eindringt, um seine Not zu erfahren. Sie lässt offen, wie weit Heidi ihr diese Not sagen will und nennt ihr für ihre Not noch eine weitere Adresse: das Gebet zu Gott. Und dann kommt die Auseinandersetzung mit dem Problem, daß das Gebet nicht sofort erhört wird, daß in dem großen Frankfurt ja auch zu viele Menschen zu Gott beten, als daß er da eine kleine Heidi hören kann... (siehe dazu die Kostprobe). Es findet sich im weiteren Verlauf auch eine Verkündigung von Glauben an den fürsorglich-begleitenden Gott und sogar ein sympathischer Seelsorger tritt kurzfristig mal auf.

zum Seitenbeginn