Lese-Tip des Monats Juni 2000

Silvia Schroer, Thomas Staubli

Die Körpersymbolik der Bibel

Wissenschaftliche Buchgemeinschaft Darmstadt 1998, Bestell-Nr. 13719-1

Was so nicht im Fernsehen kommt.....

Die Bibelsprache ist eine bilderreiche Sprache. Und das wird besonders deutlich in diesem Buch, das eine Vielzahl von biblischen Bilder nicht nur bespricht, sondern auch tatsächlich abbildet. Aus den Zeiten der altorientalischen Bildsymbolik über mittelalterliche Buchmalerei bis hin zu heutigen Werbebildern (und ihrer religiös-suggestiven Symbolik) geht die Spannweite. Und die gesamte Darstellung hat den Vorteil, dass sie nicht nur enzyklopädisch einen bunten Blumenstrauß bindet, sondern auch noch wissenschaftlich fundiert aus einer führenden Forschungsschule für altorientalische Bildsymbolik kommt (O. Keel/Fribourg). Und die Darstellung spart die aktuelle Bedeutung dieser Bilder nicht aus, wenn z.B. mit einer Hand, die die ganze Welt in der Hand hat, für Kreditkarten geworben wird.

Diese Fülle zeigt sich z.B. bei der Symbolik der Hand, die (wie Gottes Hand) schöpferisch oder zerstörerisch sein kann, machtvoll und gewalttätig, ebenso auch im Zusammenhang von Hand und Phallus (beide wurden z.B. in Altägypten gleichgesetzt). Die (weisende) Hand als einzig akzeptierte Darstellung Gottes bis ins hohe Mittelalter taucht für die Autorinnen dreimal auf (S. 197): bei Bildern von der Bindung Isaaks, der Übergabe der Gesetzestafeln an Moses und der Erweckung der toten Gebeine (vgl. Ezechiel). Dem möchte ich noch hinzuzufügen: die wegweisende/segnende Hand Gottes.

Die Fülle an Bildern und Abbildungen ist eine reiche Fundgrube für Geist und Seele, die neue Bezüge sowohl zum biblischen Körperbild als auch zur eigenen Leiblichkeit entdecken lässt. So kann das Buch immer wieder gern in der Hand genommen werden, ein einmaliges Lesen schöpft die Fülle nicht aus.

In diesem Buch ist durchgängig eine feministisch-theologische Perspektive zu finden. Sie ist meist bereichernd, erscheint aber an einigen wenigen Stellen doch etwas willkürlich angehängt: etwa wenn die Sexualitätsfeindlichkeit der christlichen Tradition mit der Unterdrückung von Weiblichkeit zusammen gebracht wird. „Sexualität ist nicht ungebrochen Teil der selbstverständlichen Leiblichkeit der Menschen“ (41) – der Grund liegt meiner Meinung nach nicht nur in den sexistischen Herrschaftsverhältnissen zwischen den Geschlechtern, sondern wohl auch in der Sexualität selbst und ihrer ambivalenten Fülle.

 

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